Stiftung Telethon Aktion Schweiz – Stiftung Telethon Aktion Schweiz

ZEUGNIS  – Die Familie lebt in Courrendlin im Jura. Marie-France, die Mutter von Maurine und Yanis, ist eine dynamische und positive Frau und arbeitet in der Baubranche. Mit viel Energie bewältigt sie den Alltag mit der Myopathie ihrer Tochter, der Lehre ihres Sohnes, den zehn Assistentinnen, die sich abwechselnd um Maurine kümmern, einem Hund und einer Katze.

Entdecken Sie ihre Geschichte…

 

Eine beschwerliche medizinische Odyssee

Bereits in den ersten Tagen nach Maurines Geburt war für ihre Mutter klar, dass etwas nicht stimmt. Dank ihrer Beharrlichkeit bekam sie schliesslich von ihrem Kinderarzt einen Termin in der Neuropädiatrie in Basel, der der Beginn einer beschwerlichen medizinischen Odyssee sein sollte. Der erste Termin beim Neuropädiater war entmutigend, denn nachdem dieser die kleine Maurine, die damals sieben Monate alt war, nur zehn Minuten beobachtet hatte, verkündete er ihren Eltern, dass ihre Tochter niemals laufen würde. Ein enormer Schock.

Maurine war noch kein Jahr alt, als sie einer Reihe von Tests und Untersuchungen unterzogen wurde, um ihre Krankheit zu diagnostizieren. Dann stand die Diagnose fest : Sie leidet an einer merosin-defizienten Myopathie, eine äusserst seltene genetische Krankheit, die von der Medizin erst wenige Jahre zuvor entdeckt worden war. Die Eltern mussten damit klarkommen, dass es keine Behandlung gab und dass unklar war, wie sich die Krankheit entwickeln würde, denn in der Schweiz waren bisher nur wenige Fälle erfasst.

 

Der aufdringliche und andere Blick der Gesellschaft auf Menschen im Rollstuhl macht mich manchmal wütend

Maurine

Fehlgeschlagene Tracheotomie

Mit acht Jahren verschlechterte sich Maurines Gesund-heitszustand rasant. Sie erlitt mehrere Lungenentzündungen und ihr Organismus wurde von Tag zu Tag schwächer. Das Atmen fiel ihr so schwer, dass sie intubiert werden musste. Bei ihrer Behandlung in Basel informierten die Ärzte die Eltern, dass Maurines einzige Option, um langfristig eine normale Sauerstoffversorgung sicherzustellen, ein Luftröhrenschnitt sei. Eine furchtbar schwere Entscheidung, vor allem, da das medizinische Personal insistierte, dass die achtjährige Maurine diese für sie überlebenswichtige Entscheidung selbst treffen sollte. Die Eltern standen unter Schock. Die Antwort ihrer Tochter lautete JA.

Der Luftröhrenschnitt wurde gesetzt, aber der Eingriff fand an der falschen Stelle statt. Maurines Luftröhre sackte zusammen und eine zweite Operation war nötig. Wenige Tage später führte ein entzündeter zentraler Venenkatheter zu einem septischen Schock, es fehlte nicht viel und Maurine wäre gestorben. Ihre Mutter war es, die auf der Intensivstation Alarm schlug, als sie bemerkte, dass sich die Lippen ihrer Tochter seltsam verfärbt hatten … Die Überwachungsapparate hatten die Infektion und die Lebensgefahr nicht erkannt.

Der verpfuschte Luftröhrenschnitt wurde zu einem echten Martyrium für Maurine, circa fünfzehn weitere chirurgische Eingriffe waren nötig, einschliesslich Eingriffen zur Rekonstruktion der Luftröhre, um die verursachten Schäden zu reparieren. Heute sind die Folgeschäden gross, vor allem durch die Vernarbung. Nun wird ein spezieller Schlauch verwendet, damit Maurine besser atmen kann, seitdem hatte sie keine Lungenentzündung mehr.

Das Sozialleben dreht sich um die Krankheit, sie steht in unserem Leben im Mittelpunkt

Marie-France

Die finanziellen Folgen

Wie so viele Mütter liess Marie-France ihren Beruf nach dem Bekanntwerden der Krankheit 15 Jahre lang ruhen. Als ihr klar wurde, welches finanzielle Loch dies in ihre Altersvorsorge reissen würde, begann sie, wieder zu arbeiten. Dank eines sehr verständnisvollen Chefs und der Alltagsassistentinnen kann sie ihren Zeitplan anpassen und auf einer 90%-Stelle arbeiten.

Die Sozialversicherungen in der Schweiz sind effizient, die IV übernimmt einen Grossteil der Kosten und Hilfsmittel. Aber mit einer schweren Behinderung ist alles viel teurer, und angepasste Fahrzeuge kosten viel Geld. Auch die Alltagshelferinnen sind eine finanzielle Belastung für die Familie, denn für alle Aktivitäten, ob Hobbys oder Restaurant, muss doppelt bezahlt werden.
Als Maurine volljährig wurde, wurden alle Leistungen erneut überprüft, da die Krankenkasse nun einige Leistungen der KI übernimmt. Sie mussten erneut um jedes Pflaster kämpfen. Die administrativen Entscheide sind frustrierend, da sie auf der Basis des Dossiers getroffen werden, ohne Maurine jemals zu sehen.

In den letzten zehn Jahren haben sich die Ärzte stärker für Gespräche mit den Eltern und den Kindern geöffnet, und das ist wirklich wichtig

Maurine

Eine fröhliche junge Frau, die weiss, was sie will

Maurine ist eine fröhliche junge Frau mit vielen Zukunftsprojekten. Nachdem sie die Regelschule besuchte (mit zwei Unterbrechungen für den Eingriff, bei dem der Luftröhrenschnitt gesetzt wurde, und einen Eingriff zur Fixierung ihrer Wirbelsäule), schloss sie in Delémont erfolgreich die Fachmittelschule ab. Sie liebt Filme, mindestens dreimal pro Woche ist die junge Frau im Kino in Delémont anzutreffen. Da Maurine zwei Karten kaufen muss, eine für sie und eine für ihre Assistentin, ist dies eine grosse finanzielle Belastung. Deshalb schlug der Kinobesitzer Maurine vor, jede Woche eine Filmkritik zu schreiben, im Gegenzug darf sie so viele Filmvorführungen besuchen, wie sie möchte. Eine grossartige Chance für die bekennende Filmliebhaberin, die sofort zusagte. Seitdem freuen sich die Kinobesucher über Maurines Texte und Maurine macht ihre Tätigkeit, mit der sie die Kommunikation des Kinos unterstützt, grossen Spass.

In diesem Kino organisierte Maurine im vergangenen Jahr zudem ihr erstes Event : ein Festival für junge Musiktalente. Sie verwaltete das Projekt von A-Z, trat in den Medien auf und entdeckte eine neue Leidenschaft : das Eventmanagement. Seitdem schwankt sie zwischen einer Ausbildung zur Regisseurin von Videoclips und dem Eventmanagement.

Der Alltag

Maurine hat kaum Kraft und ihre Bewegungen sind sehr eingeschränkt. Sie hat jedoch etwas Autonomie in den Armen, sodass sie ihren Elektrorollstuhl bedienen und selbstständig essen und trinken kann. Bei allen anderen Dingen im Leben braucht die junge Frau Unterstützung. Rund ein Dutzend Assistentinnen und Pflegefachfrauen wechseln sich Tag und Nacht ab, um an ihrer Seite zu sein.

Die Zukunftsprojekte

Maurines Wünsche für ihre Zukunft sind einfach : Sie möchte ihre Ausbildung fortsetzen, um einen sicheren Arbeitsplatz zu finden, reisen, die Welt entdecken, und eine Familie zu gründen.